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Mrz

Merkel trifft Deutsche Internet StartUps

Angela-Merkel-StartUp-Szene Die Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit Thomas Jarzombek, Lars Hinrichs, Klaus Hommels, Heiko Hubertz, Christoph Maire, Frank Thelen, und Florian Noell luden mich und 174 weitere Personen zum Empfang der Deutschen Internet StartUps nach Berlin.

Insgesamt 175 Geschäftsführer von Startups, Investoren und Internetunternehmen waren an diesem Abend in der Kulturbrauerei im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg versammelt. Ihre Unternehmen stehen zusammen für 21 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigten 127.000 Menschen.

Deutschland ist im Internet noch weit abgeschlagen und spielt noch nicht in der Weltliga mit. In 2011 wurde in Deutschland ca. 900 Millionen Euro in Internet StartUps investiert. Das steht im Verhältnis zu 30 Milliarden Euro, die im selben Zeitraum alleine im Silicon Valley investiert wurden. Der amerikanische Internetkonzern Google hat in Deutschland nach unbestätigten Angaben drei Rechenzentren gebaut, zu Kosten von je 400 Millionen Euro. Warum investiert ein Ausländisches Unternehmen in unserem Land mehr als die komplette Venture Capital & Private Equity Landschaft?

Frau Merkel, die Digitale Wirtschaft ist die Zukunft unseres Landes. Es muss mehr Kapital investiert werden damit wir nicht komplett den Anschluss verlieren.

Hier die volle Rede von Angela Merkel:
Quelle: Bundeskanzlerin.de

Sehr geehrter Lars Hinrichs,
sehr geehrter Thomas Jarzombek,
lieber Philipp Rösler,
liebe Anwesende – ich sage ebenfalls nicht „meine Damen und Herren“, aber ich möchte nicht gleich die Bezeichnung „Freunde“ wählen, denn man muss sich ja vorsichtig annähern.
Ich freue mich, dass wir uns heute Abend hier treffen und anschließend noch ein wenig ins Gespräch kommen können. Ich sage das auch im Namen von Philipp Rösler, der als Wirtschaftsminister gern mitgekommen ist und in letzter Zeit auch einen wirklich großen Schwerpunkt auf Start-Ups gesetzt und sich auch der Konkurrenz gestellt hat – er war nämlich im Silicon Valley und hat sich dort umgeschaut.

Natürlich ist die Tatsache, dass Sie heute alle hier sind und dass Sie in Berlin tätig sind, eine gute Botschaft für uns. Man soll ja immer mit dem beginnen, was man hat, um es dann weiterzuentwickeln. Wenn Lars Hinrichs sagt, dass in Ihrer Branche von vielen erwartet wird, dass es Wachstum gibt, so wollen wir a) keine Steine in den Weg werfen und b) auch die Bedingungen so gestalten, dass sich die Internet- und Start-Up-Szene gut entwickeln kann.
Wir haben mit Berlin einen Standort, der vieles mit sich bringt, das notwendig ist, um gute junge oder ältere Fachkräfte anzulocken. Das ist auch der Tatsache zu verdanken, dass es eine Stadt ist, in der in den letzten Jahrzehnten einiges passiert ist und die sich einen solchen Ruf erworben hat, dass man gern hier leben will. Berlin ist auch deshalb eine faszinierende Stadt, weil hier einmal eine Mauer gefallen ist, weil man Barrieren überwunden hat. Die Welt des Internets ist im Grunde auch eine Welt, aus der heraus man immer wieder Mauern durchbricht, in neue Bereiche vorstößt; und das konnte man in Berlin historisch hautnah erleben. Wir sind heute in einem Teil Berlins, in dem ich mich auch früher häufig aufgehalten habe, mangels Alternativen, als die Mauer noch stand. Insofern ist es faszinierend zu sehen, was sich hier in den letzten zwanzig Jahren getan hat.
Im Übrigen bin ich zutiefst davon überzeugt, dass die Tatsache, dass der Kalte Krieg zu Ende ging, dass die sozialistischen und sich kommunistisch nennenden Volkswirtschaften zugrunde gingen, sehr viel mit den Anfängen der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien zu tun hatte, denn Informationen machen an Betonmauern nicht halt. Das erleben heute andere auf der Welt auch. Sie brauchen für interessante, spannende Unternehmen Menschen, die frei denken können, die nicht dauernd an Barrieren stoßen, die ihre gesamte Kreativität einsetzen können. Damit kommen diktatorische Systeme an ihr Ende, weil sie den Menschen ja nicht auferlegen können, während ihrer Arbeitszeit frei zu denken, alles umzusetzen, was ihnen in den Kopf kommt, um dann nach Verlassen des Arbeitsplatzes aufzuhören zu denken und sich wieder einer Räson anzuschließen, die dem gesunden Menschenverstand nicht folgt. Deshalb hat die Entwicklung der Wissensgesellschaft, der Informationsgesellschaft, wie wir sie heute immer mehr erleben, im Grunde dazu geführt, dass solche Systeme wirtschaftlich nicht mehr überleben konnten und damit zusammengebrochen sind.
Dass Berlin von dem Prozess profitiert, den Herr Hinrichs so beschrieben hat, dass alles, was man digitalisieren kann, auch digitalisiert werden wird, das ist – ich stimme dieser These zu – eine Frage der Zeit. Es ist eine Frage der Möglichkeiten, wie schnell das geht, aber es wird so sein. Und wir – ich jedenfalls – überblicken noch nicht, welche gesellschaftlichen Veränderungen das mit sich bringen wird. Aber es wird faszinierende Veränderungen mit sich bringen, die Menschen auch erlauben werden, sich ihre eigenen individuellen Wünsche besser zu erfüllen. Es wird eine massive Veränderung unserer Arbeitswelt geben; man kann das auch auf der jetzigen CeBIT nachvollziehen. Ich freue mich, dass wir in unseren Reihen der Regierungsfraktionen auch Abgeordnete haben, die das so unterstützen wie Thomas Jarzombek, der uns aber sicherlich auch vor manchem Unsinn bewahrt, zu dem wir uns anschicken, und sagt: Wenn ihr euch da in die Nesseln setzen wollt, dann müsst ihr das tun; aber ansonsten lasst die Finger davon.
Was beklagt wird, ist, dass die Willkommenskultur, wie man so schön sagt, in Deutschland noch nicht immer so ausgeprägt ist, dass jeder, der sich hier auf ein Abenteuer einlässt, sich auch willkommen fühlt. Das ist mir heute auch bei meinen Unternehmensbesuchen gesagt worden. Es kann auch in verschiedenen bürokratischen Geschäftsgängen, die man zu erledigen hat, noch manches verbessert werden. Ich werde das an entsprechender Stelle anbringen. Wir heißen jeden Internetexperten ausdrücklich willkommen. Herr Hinrichs lässt immer, wenn man ihn trifft, nicht locker, damit noch manches in Deutschland, manches in Berlin passiert, da die Szene insgesamt noch nicht den Entwicklungsgrad erreicht hat, den wir uns wünschen. Deutschland muss besser werden, Europa muss besser werden. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass man die unterschiedlichen Gründungsbedingungen in den europäischen Ländern angleicht, also einen Gründungsakt schafft, sodass man weiß: Egal, ob ich nach Lettland gehe, nach Spanien, Portugal oder Deutschland – ich finde die gleichen Bedingungen vor. Dann gäbe es nur noch den Wettbewerb um die Talente, um die beste Umgebung.
Wir reden in Europa viel von Wachstum, aber manchmal weiß ich nicht, ob es überhaupt konkrete Vorstellungen davon gibt, wohin wir denn wachsen wollen. Da muss man sich durchaus auch mit Ihren Erwartungen beschäftigen; und diese beziehen sich natürlich auch auf Freizügigkeit bei der Frage, Talente zu engagieren. Das ist das eine. Das andere ist die Notwendigkeit, Kapital zu akquirieren. Das ist auch wieder ein kultureller Standortfaktor. Wer ist bereit, Business Angel zu sein? Wer ist bereit, Privatkapital zu geben – Private Equity –; und wie sind die Rahmenbedingungen dafür? Darüber haben wir gesprochen. Philipp Rösler hat dazu einen fachkundigen Beirat eingerichtet, damit wir diese Bedingungen verbessern können. Denn wir sehen: Der Wettbewerb mit Großbritannien und anderen Ländern ist existent; und die Akteure richten sich natürlich nach dem, der ihnen auch vernünftige Möglichkeiten bietet.
Was die steuerlichen Dinge anbelangt, so hatte Thomas Jarzombek dazu gesagt, dass etwas Schlimmes verhindert wurde. Aber wir hätten gern auch die Dividenden aus dem Streubesitz steuerfrei gestellt. Das ist mit den Ländern leider nicht gelungen. Wir glauben, dass wir an dieser Stelle jetzt wirklich ein Zeichen setzen sollten. Und ich glaube, sowohl FDP als auch Union werden das in ihren Wahlprogrammen immer wieder sagen. Wir haben vielerlei Rahmenbedingungen in den letzten Jahren verbessert. Wir haben vieles getan, damit sich Gründer in Deutschland wohlfühlen können. Wir haben einen Gründerfonds eingerichtet, wir haben eine Gründerinitiative auf die Beine gestellt, weil wir glauben, dass aus kleinen Unternehmen schrittweise größere werden, und weil wir eine Gründerzeit brauchen, wie wir sie Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland schon einmal hatten.
Wir sind über den Zustand hinaus, Herr Hinrichs, dass wir denken, man finde IKT nur bei Siemens oder anderen großen Unternehmen, sondern wir sind uns sehr bewusst, dass junge Unternehmen sozusagen die Hefe sind, mit der sich die gesamte Szene entwickelt. Deshalb möchte ich ein ganz herzliches Dankeschön sagen für Ihre Arbeit, für Ihr Engagement, dafür, dass Sie sich hier wohlfühlen und auch bereit sind, heute mit uns zu sprechen.
Fachkräfte – ein sehr wichtiges Thema – werden in Deutschland an vielen Stellen gesucht. In Ihre digitale Welt kommen Fachkräfte aus aller Welt. Es ist schon beeindruckend, wenn man sieht, wie 20, 30, 40, 50 Nationen ganz selbstverständlich zusammenarbeiten. Das ist gelebte Globalisierung, wie sie natürlich für manch einen im Alter zwischen 50 und 60, wie ich es bin, noch nicht so selbstverständlich ist wie für diejenigen, die heute in diese Welt hineinwachsen.
Wir haben einen sehr erfolgreichen IT-Dialog. Allerdings haben wir auch gelernt, dass die klassische Verbandszene – das ist so zur Kenntnis zu nehmen – nicht unbedingt Ihre Szene ist. Deshalb sind wir heute zu Ihnen gekommen. Die Verbände brauchen wir auch, aber wir müssen auch einen Blick für neue Organisationsformen haben. Deshalb möchte ich mich ganz besonders herzlich dafür bedanken, dass es gelungen ist, Sie alle hierher zu locken. Ich weiß nicht ganz genau, welche Erwartungen Sie haben; das können wir vielleicht auch im Gespräch in kleinerer Runde noch klären. Ich darf Ihnen nur sagen: Mit dem Bundeswirtschaftsminister, mit dem Bundeswirtschaftsministerium haben Sie immer einen Anlaufpunkt. Philipp Rösler war im Silicon Valley. Er weiß, was da los ist und welchen Weg wir noch zurückzulegen haben.
Ich sage Ihnen ganz selbstbewusst: Wir als Regierung glauben, wir können es schaffen, dass Berlin in den Indizes noch ein bisschen höher rutscht und eines Tages in den Augen, Ohren und Hirnen der Welt als ein Platz angesehen wird, an dem Neues, Interessantes und Spannendes entsteht. Dementsprechend tragen wir Sorge dafür, dass sich die Bedingungen schrittweise verbessern, damit auch mehr und mehr Menschen Lust bekommen, Ihnen Kapital zu geben, und besser einschätzen können, woraus etwas werden kann, damit sie etwas risikofreudiger werden, was nicht immer des Deutschen Stärke ist. Aber: Aus Risikofreude muss dann auch nachhaltige Begeisterung erwachsen; und diese entsteht auch, wie ich glaube, Schritt für Schritt in Deutschland.
Deshalb noch einmal: Danke schön, dass Sie diesen Empfang mit Ihren Mitstreitern organisiert haben. Danke schön, dass Sie alle hierher gekommen sind. Wir sind gerne bereit, jetzt mit Ihnen noch über die Fragen zu diskutieren, die Sie mit uns diskutieren wollen, und uns auch anzuhören, was schon gut klappt, damit man es weitertragen kann. Das Ganze ist als eine interaktive Veranstaltung gedacht, so wie es im Internet ja auch üblich ist.
Herzlichen Dank. Ihnen alles Gute und viel Spaß.

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